Felix Stalder. Kultur der Digitalität. 2016

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1. Wege in die digitale Kultur

Erweiterung der sozialen Basis und Kultur

50/60er Jahre: (fast) ausschlisslich heteronorm - dies wurde durch 3 Trends aufgeweicht

  1. Wachstum der Wissensökonomie. Oekonomie der Monopole dank Patentn und Urheberrecht. Forschung&Entwicklung ... Konsumgesellschaft bedingte Wissen über Konsument Marktforschung, Werbung, Medienindustrie, Verschiebung von produktiven zu kommunikativen Tätigkeiten ...
    • 70er Jahre nachindustriellen Gesellschaft, neue soziale Bewegungen fordern Flexibilisierung von traditionellem Wertesystem
    • 90er Jahre Netwerkgeseschaft: neoliberale Bewegung: Flexibilisierung mit Abbauch von sozialer Sicherheit usw.
    • beide mit Begriffen wie Freiheit, Veränderung...
  2. Erosion der Heteronormalität. neue Frauen- und Schwulenbewegung. Aids. Verbreiterung nach LGBT = lesbian, gay, bisexuel, transgender. Bis zu Conchita Wurst bei Eurovision2014
  3. Postkolonialsmus: jenseits von Peripherie und Zentrum. Hybridisierung: als Underdog etwas eigenes schaffen aus beiden Kulturen auswählen.
    • disruptive Kraft des ausgeschossenen-eingeschlossenen Dritten statt Assimilation

Kulturalisierung der Welt

  • Kulturalisierung der Oekonomie: zentrale Position von wissens- , bedeutung- und affektorientierter Prozesse
  • Design als Zentraldisziplin der kreative Oekonomie
  • Ende der 60er Jahre: Desing nicht für einzelnes Produkt, sonder in Gesellschaft eingreifen, als Feedback gesteuertes kybernetisches System
  • durch Entpolitisierung von Gestaltung der Lebenswelt zu Gestalung der Erlebniswelt
  • Digitalisierung und Vernetzung erlaubt noch stärkeren Einbezug des Publikums in Gestaltung

Technologisierung der Kultur

  • 60er Jahre Medienkritik und alternative Medienn entstehen
  • McLuhan 1964: the medium is the message
  • Video erlaubt billigere Filmproduktion mit sofortigem Feedback.
  • Internet als freie Kommunkationsplattform. Neue Kommunikations KollaborationsFormen (RFC etc) die früher so mühsamen Entscheidungsfindung in grossen Gruppen erleichtert
  • GNU General Public License von Richard Stallmann: erster Versuch, das Urheberrecht mit seinen eigenen Mitteln auszuhebeln

von den Rändern ins Zentrum der Gesellschaft

  • Internet ist alles durchdringend. In den sozial Meden erstellt jedeR eigenen Inhalt.
  • Abschied von der Leitkultur: alles muss verhandelt werden. Das ist natürlich weder friedlich noch egalitär

2. Formen der Digitalität

Referentialität

  • Wiederverwendung/Synthese von bereits gestalteten Material, statt Gestaltung von Grundmaterialien
  • Erkennbarkeit der Quellen und freier Umgang damit. Im Gegensatz zu kritischer-historischer Methode, die versucht eine Quelle in ihren historischen Kontext einzubetten
  • Voraussetzung: Quellen müssen verfügbar sein: 1. ökonomisch/organisatorisch 2. kulturell (Bearbeit ist kein Tabubruch) 3. materiell (physisch verarbeitbar)
  • Buchdruck: Wissenschafter konnten plötzlich viel Material vergleichen. Neue Konvention für eindeutige Referenzen. Verlustfrei kopierbar - im Gegensatz zu Abschriften
  • Google Books: Volltextsuche in 20M büchern - Urheberrechtsprobleme! Musik Downloads, Fotos auf Facebook ...
  • Zugang nur über Suchmaschinen Datenbanken: keine feste Ordnung sondern wird erst durch Abfrage (und BigData Präferenzen) hergestellt

Gemeinschaftlichkeit

  • seit 50Jahren verlieren traditionell-hierarchisch-bürokratischen Institutionen an Einfluss
  • explizite normative Zwänge nehmen ab, implizite ökonomische nehmen zu
  • Ferdinand Tönnies Gemeinschaft überlappenden Vielschichtigkeit der sozial Beziehungen (Dorf) ⇔ Gesellschaft mit funktioneller Trennung der Bereiche
  • Begriff community geht mehr von empirischer Beobachtung der Praxis aus
  • solche gemeinschaftlichen Formationen konstituieren sich selbst, durch Einübung der Grundlagen ihrer Konsitution. Prozess der reflexiven Selbstkonstitution (Autopoiesis) ist zirkulär: Steuerung durch selbsgeneriertes Feedback
  • informelle Orgnaisationsformen, basierend auf Freiwilligkeit
  • Voraussetzung: Produktion von Differenz und Gemeinsamkeit geschieht gleichzeitig
  • hier geht es nicht um enge Freundschaften sondern um weak ties - Netzwerke werden wertvoller mit grösserer Ausdehnung
  • David Singh: Macht der Souveränität (du musst) ⇔ Macht der Soziabilität (du kannst, aber wenn Du nicht tcp/ip bentutzt bist Du vom Internet abgeschnitten)

Algorithmizität

  • klassische Algorithmen ⇒ selbstlernend, evolutionär etc.
  • Google PageRank: ursprünglich Anzahl Links die auf eine Seite zeigen (gewichtet mit Relevanz, die wieder durch Anzahl Links bestimmt wurde)
  • seither verändert sich der Suchalgorithmus ständig, wird kontextabhängig und benutzerspezifisch
  • Benutzer Profil aus vielen digitalen Spuren
  • Auswahl der Suchergebniss berücksichtig sozial Vernetzung des Users, also was in seinem sozialen Netzwerk gerade populär ist

3. Richtungen des Politischen in der Digitaltiät

Postdemokratie

  • Margaret Thatcher: there is no alternative
  • Colin Crouch: Postdemokratie ein Gemeinwesen mit Wahlen, die aber v.a. durch PR-Experten bestimmt werden. Der Einfluss der Eliten steigt und egalitäres Projekt ist zunehmend mit eigener Ohnmacht konfrontiert
  • Aus Demokratie, dem Streit des Volkes wird Governance
  • Felix Stadler:Postdemoratie: es werden zwar Beteiligungsmöglichkeit gewahrt oder neue geschaffen, aber Entscheidungsfähigkeit auf Ebenen ohne Mitbestimmung stärken
  • eMail ermöglicht horizontale Koordination kleiner und grosser Gruppen
  • mit Webmail, den sozialen Medien usw. haben sich die Anbieter aber eine potentiell rigorose Kontrolle gesichert und durch private Protokolle isoliert und durch Suchalogrithm selektiert
  • Facebook z.B. vergrössert das Machgefälle zu den Usern mit jedem Update
  • dank vielen Daten, können sozial Medien winzige Effekte messen, z.B. eine Liebesbeziehung voraussagen, anhand einer einzigen Message/Woche Unterschied
    • WahlbeieinflussungsExperiment konstatiert 0.39% Unterschied - extrem schwache Beeinflussung auf Einzelnen, aber bei knappen Wahlausgang relevant
  • es wird nicht jemandem etwas vorgeschrieben, Vielmehr wird einfach die Umgebung, in der sich jeder selbstverantwortlich zurechtfinden muss, leicht schräg gestellt
  • kybernetische Hypothese: verhalten kann programmiert werden
  • Netzwerkeffekt: ein Netzwerk wird umso nützlicher, je verbreiteter: natürliches Monopol - aber das ist nicht natürlich gegeben, sondern liegt an den geschlossenen statt offenen Standards
  • dIe Grenzen zwischen postdemokratischen sozialen Massenmedien und staatlichen Nachrichtendiensten sind fliessend
  • die Verletzung grundlegender Bürgerrechte, z.B. Datenschutz, wird nicht mehr als schlimm, sondern als praktisch empfunden, dank der Ausbreitung von smarten Technologien
  • BlackBox Gesellschaft: immer mehr soziale Prozesse werden mithilfe von Algorithmen gesteuert, die nicht nachvollziehbar sind
  • Widerstandsformen: Leaking (z.B. WikiLeaks)

Commons

  • gegenPol zu PostDemokratie
  • commons-based peer production
  • funktionieren weder über Mark noch Hierarchien, somit wird sozial Kommunikation unter den Mitgliedern das Mittel für Selbstorganisation
  • viele digitale Güter können nicht übernutzt werden (Gesellschaft des Ueberflusses ⇔ Tragik der Commons)
  • nach Innen sind Commons of meritokratisch organisiert: wer mehr beiträgt darf stärker nutzen bzw. mitbestimmen
  • freie Güter, z.B. freie Software mit vielen kommerziellen und nichtKomerziellen Akteuren
  • öffentlich einsehbare Daten
  • Aushöhlung der Commons durch Sharing Economy und Cloud Software

Wider die Alternativlosigkeit

ob sich Commons oder Postdemokratie durchsetzen (und wie) ist offen ...