Fri17: Martin Fritz. 2017. Beschäftigungsregime im Vergleich

  • Martin Fritz.
  • 2017.
  • Beschäftigungsregime im Vergleich.
    • Arbeitsqualität von Teilzeitbeschäftigung in Deutschland, Schweden und dem Vereinigten Königreich.
  • Barbara Budrich

Wie lässt sich Arbeitsqualität messen und damit auch Benachteiligung von Teilzeit messen? Unterschiede zwischen 3 typischen sozialen Marktwirtschaften.

2 Zur Beduetung von Arbeitszeitreduzierungen: Brauchen wir mehr und bessere Teilzeitjobs?

  • wir leben zum ersten Mal nicht in einer Mangel- sonder einer UeberflussOekonomie
  • Die Ausweitung von Teilzheitarbeit als einer vielversprechenden Form der Arbeitzeitreduzierung stellt einen wichtigen Baustein in der Neuausrichtung der Arbeitswelt für die Herausforderungen der Zukunft dar.
  • Neoliberalisieren, Harz 4, Flexibilisierung: neben sozioökonomischen Risiken auch psychosoziale Auswirkungen: Sennett(2000) allgemeine Orientierungslosigkeit (Drift), Zukunftsängste, Misstrauen => Corrosion of Character. doppelter Subjektivierungsprozess (Kleemann 1999): Erwartung nach eigenverantwortlicher Selbstverwirklichung zusammen mit Druck der Arbeitswelt rational zu handeln übt hohen Druck auf Einzelnen aus.
  • Teilzeitarbeit oft Wunsch der Arbeitenden, aber trotzdem mit erhöhten Risiken

Teilzeitarbeit und Arbeitszeitreduzierung - ein Allheilmittel für die Probleme unserer Zeit?

3 Aspekte

  1. ökonomisch: Arbeitslosigkeit, Ungleichheit, Armut reduzieren
  2. soziale Inklusion und zivilgesellschaftliches Engagement gefördert
  3. ökologische Probleme angehen

also: mehr und bessere Teilzeitjobs!

3. Die Idee der guten Arbeitund Konzepte der Arbeitsqualität

politische Konzepte der Arbeitsqualität

  • gute Arbeit im doppelten Sinne: Qualität der Produkte/Dienstleistungen und Qualität der Arbeitsbedingungen
    • über reine Vollbeschäftigung hinaus!
  • ILO (1919): labour is not a commodity. Decent Work Agenda mit 5 Dimensionen
  1. Rahmenbedingungen, z.B. angemessene Bezahlung, Arbeitsplatzsicherheit, Karriereoptionen
  2. solidarische und demokratisches Miteinander von Arbeitgeber und -nehmer
  3. Gesundheitsschutz: geringe Arbeitsbelastungen
  4. Vereinbarkeit von Beruf und Familie
  5. Tätigkeit als erfüllend wahrgenommen werdne: vielfälgtig und interessante Arbeit, den individuellen Fähigkeiten angepasst

Martin Fritz benutzt folgendene 5 Dimensionen

  1. extrinsische Arbeitsqualität: strukturelle Rahmenbedingungen
  2. intrinsische Arbeitsqualität: vielfältige und interessante Arbeit, Ausmass der Autonomie
  3. Beschäftigungsbeziehungen: Miteinander von Arbeitgeber und -nehmer. Interessenvertretung
  4. Arbeitsbelastung: Gesundheitsschutz etc.
  5. Vereinbarkeit von Beruf und Familie

wissenschaftliche Konzepte der Arbeitsqualität

Seit Marx hat die Anzahl der diskutierten Aspekte zugenommen

  • Arbeitszufriedenheit erfassen und in Kausalmodellen testen, welche Faktoren den grössten Einfluss haben: starke Korrelation mit intrinsischer Arbeitsqualität
  • 1980er Jahre: zusätzlich Arbeitsplatzsicherheit
    • segmentierung / dualer Arbeitsmarkt: primärer Sektor mit guten Bedingungen Vollzeitbeschäftigung ⇔ sekundärer Sektor mit unsicheren und schlecht bezahlten Jobs
  • Verstärkte sich in den 1990er Jahren unter dem Schlagwort Flexibilisierung
  • Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Job-Match: Diskrepanzenn zwischen wahrgenommenen, präferierten und tatsächlichen Merkmalen der Arbeitsqualität

ArbeitsqualitätsIndexe, z.B. der JobQualityIndex des europäischen Gewerkschaftsfbundes

4. Der Massstab des Ländervergleichs: Regimetheoretische Ueberlegungen und sozial Institutionen

2 Kritierien

  • Dekommodifizierung (der Arbeitskraft): Sozialversicherungen, geregelte Arbeitszeiten usw.. (als Gegenbewegung zur Kommodifizierung (Warencharakter) der Arbeitskraft) Resultat von Gewerkschafts- und linken Politik ermöglichen polititsche Teilhabe etc.
  • Stratifizierung. (Schichtung...) Ungleichheit zwischen Klassen, Statusunterschiede. Staaten können das z.B. über das Steuersystem beeinflussen. politische Deregulierungen, Globalisierung etc. führen seit den 90er Jahren zu einer dramatischen Machtverschiebungf in Richtung der Unternehmer und Zunahme der sozialen Ungleichheiten.

sozialen Marktwirtschaft (welfare capitalism) Typologie von Esping-Andersens (1990)

  1. liberale Ideltypus : Individuen sind eigenverantwortlich - geregelt durch Markt, Staat mischt sich wenig ein. Staat soll nicht umverteilen. ==> niedrige Dekommodifizierung, hohe Stratifizierung, z.B. GB
  2. sozialdemokratischer Idealtypus: alle Individuen sollen Zugang zu wohlfahrtsstaatlichen Leistungen haben. Galt während kalten Kriges als Mittelweg zwischen Sozialismus und Kapitalismus. Starker (demokratischer!) Staat als Mittel zur Organisation eine Miteinanders ==> hohe Dekommodifizierung, kleine Stratifizierung, Skandinavien.
  3. christdemokratisch-konservativer Idealtypus: Familie spielt etnscheidende Rolle. Subsidiaritätprinzip: Staat soll erst eingreifen, wenn Familie es nicht mehr leisten kann - führte zu weitgehendem Ausschluss der Frauen von Arbeitsmarkt etc.. Kooperatismus: Kooperationen (Arbeitgeben, Gewerkschaften...) partizipieren an politischen Prozessen. Staat interverniert eher für Statuserhalt, Segmentierung, als für Egalisierung. ==> mittlere Dekommodifizierung und Stratifizierung.

Spielarten des Kapitalismus - Hall & Soskice (2001) 6 Grundannahmen

  1. Unternehmenszentrierung
  2. Koordinationsmodi
    1. Markt/Wettbewerb
    2. Gemeinschaft/Solidarität
    3. Bürokratier/Hierarchie
    4. Verbände / Aushandlung
    5. Netzwerk / Kommunikation
  3. Instituionen: Arbeitsbeziehungen, Unternehmensfinanzierung usw.
  4. institutionelle Komplementarität: Beziehungen zwischen Institutionen
  5. nationale Spiealarten
  6. Effizienz und institutioneller Wandel
    • Kohärenz:Produktionsregime erhöhen ihre Wettbewerbsfähigkeit, indem sie den Wandel so gestalten, dass sie ihre komparativen Vorteile stärken

==> liberale Marktwirtschaftgen ⇔ koordinierte Marktwirtschaften (typisch hoch qualifizierte Arbeitnehmer und Produkte), Lallement (2011) unterscheidet zusätzlich mediterrane Marktwirtschaften: hohes Niveau an Sozialversciherungen und Arbeitsschutz, aber unterlaufen durch hohen Anteil an atypischer Beschäftigung.

koordinierte Marktwirtscaften erschweren Frauen Zugang zur Arbeit und auch sonst Arbeitsmarkt dualistisch und stark segmentiert. Weiterbildung und Karrierechancen sind für atypische Beschäftigungsformen reduziert

Beschäftigungsregime

  1. inklusive: gutes Ausbildungssystem, aktive Beschäftigungspolititik, Arbeitsqualität und Mitbestimmung
  2. dualistisch: Einfluss der Arbeitnehmerorganisationen ist schwächer, und abhänging wer gerade an der Regierung. Diskrepanz zwischen Voll- und atypisch Beschäftigten
  3. marktorientiert: hire and fire, on the job training

5. Soziale Merkmale von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigung

Teilzeitbeschäftigte sind grossmehrheitlich Frauen, haben ebensolange Ausbildung, häufiger im öffentlichen Sektor, verdienene weniger und leben eher in Haushalten mit geringem Einkommen. Teilzeit ist deutlich seltener in Handwerk, Führungspositionen. Häufiger Dienstleisung

  • DE: vor allem für Wiedereinstieg von Müttern. Plus steuerbegünstigt Aufteilung bei Paaren in Haupt/Nebenverdiener
  • GB: vor Mütter in niedrigqualifizierten Jobs. gut ausgebildete eher Vollzeit
  • SE: wenig Teilzeitbeschäftigung, dafür gute familienpolitische Regulierungen

6. die fünf Dimensionen der Arbeitsqualität - Teilzeit- und Vollbeschäftigung im empirischen Vergleich

  1. extrinsische Arbeitsqualität
    • wie wichtig empfinden Arbeitnehmer hohen Lohn, und wie zufrieden sind sie damit
      • Mismatch in DE am grössten, wenig Unterschied zwischen Voll-/Teilzeit
    • Karrieremöglichkeiten: deutlich schlechter bei Teilzeit
    • leistungsorientierte Bezahlung: meine Leistung wird in der Bezahlung wirksam, bei Teilzeitern viel tiefer für alle in SE am höchsten, DE am tiefsten
    • Arbeitsplatzsicherheit: Diskrepanz zwischen empfundener und gewünschter Sicherheit im GB am grössen, in SE am kleinsten
    • Hilfe von Kollegen:nur kleiner Unterschiede zwischen Vol-/Teilzeit
    • explorativ relationale Perspektive (Haptkomponenten Analyse (Zerlegung orthonormale EigenVektor Basis von A AT (Kovarianzmatrix)
    • erste 2 von 5 Dimensionen erklären 50 Prozent der Varianz
      • 1. Dim: Karriere, Sicherheit, Einkommen
      • 2. Dim: Hilfe, Leistungslohn
    • extrinsische Arbeitsqulität in DE am schlechtesten, grösste Polarisieren zwische Teil-/Vollzeit in SE
  2. Intrinsische Arbeitsqualität
    • Autonomie (Wichtigkeit ↔ empfundene)
    • Arbeitstempo selbst-/fremdbestimmt
    • Vielfalt und Abwechslung
    • Qualifikations- & Anforderungsniveau (gemessen wir Ausbildung über obligatorische Schulzeit hinaus)
    • Weiterbildungsmöglichkeiten
    • Resultat: am besten in SE, dann DE, GB. Teilzeit deutlich benachteiligt
  3. Beschäftigungsbeziehungen
    • Gewerkschaftliche Vertretung und Einfluss am Arbeitsplatz
    • Besprechungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern und Einfluss der Besprechungen
    • gefühlte Ersetzbarkeit der Beschäftigten
    • Beschäftigungsfähigkeit (wie schwer ist es, ähnlichen Job zu finden)
    • Abhängigkeitsbeziehungen
    • SE am besten, DE und GB etwa gleich schlect. In DE und SE Benachteiligung von Teilzeitern
  4. Arbeitsbelastungen
    • Arbeitszeiten, Ueberstunden und temporaler Jobmatch
    • ungewöhnliche Arbeitszeiten (Abend/Nacht/kurzfristige Ueberstunden/Wochenend)
    • Gesundheitliche Gefährdungen, Erschöpfung und Entgrenzung (Häufigkeit beruflicher Sorgen ausserhalb der Arbeitszeit)
    • höchste Belastung in DE, geringste in SE. Belastung für Teilzeiter kleiner
  5. Vereinbarkeit von Arbeit und Familie
    • familienbezogene Vereinbarkeit (Zeitmangen in Familie, familiäre Konflikte wegen Arbeit)
    • arbeitsbezogene Vereinbarkeit (Zeitmangel im Job, Konzentrationsstörungen im Job auf familiären Gründen)
    • in alle 3 Ländern etwa gleich - für Teilzeit deutlich besser

7. Globale Analyse der 5 Dimension von Arbeitsqualität

Eine MFA über alle 5 Dimensionen und 26 Variabeln bringt die ersten beiden Dimensionen

  1. Arbeitsqualität und Beschäftigungsbeziehungen (13% Varianz)
  2. Vereinbarkeit und Arbeitsbelastungen (12% Varianz)

also Arbeitsqualität braucht mindestens 2 unabhängige Dimensionen!

8 Schlussbetrachtungen

in allen 3 Ländern ist Teilzeit benachteiligt. meist einfache Arbeiten und tiefen Löhnen.

Der Schlüssel um diese Logik zu durchbrechen, ist die Förderung von Teilzeit in Führungspositionen.