AKP73: Welttheater für Eidgenossen

  • Arbeitsgruppe Kritische Publizistik AKP
  • 1973
  • Welttheater für Eidgenossen
  • Politische Fernseh-Information in Kapitalismus Eine analyse der Schweizer Tagesschau
  • Verlag Politische Texte Zürich
  • LitN:AKP73.pdf

Die Tagesschau ist das wichtigste Medium politischer Information in der Schweiz, aber wesentlich weniger Menschen sehen die als Ergän zung gedachten anderen politischen Sendunren. Drei Viertel der Zuschauer bezeichnen die Tagesschau als gut oder ausgezeichnet, was a llerdings noch nicht viel über den Stellenwert, den ihre Information fir sie einninuit aussagt. Gewisse Episoden zeigen aber, dass viele ihr blind trauen.

Für die Untersuchung wurde willürlich eine Woche herausgegriffen und sowohl in quantitativer als auch in ideologiekritischer Frage stellung untersucht, für die quantitativen Messungen wurde wurde eine andere Woche zur Kontrolle herbeigezogen, es ergaben sich dabei keine grossen Unterschiede.

Regierungsvertreter dominieren, in Inlandteil kommen Unternehmer organisationen viel häufiger zum Wort, als in Auslandteil, Trbeiter organisationen konimen fastricht auf den Schirn, relativ viele nicht organisierte Akteure, wobei aus dem Husland vor allen politische, im Innland vor allem unpolitische. Nachrichten aus den Regierungs la gern in beiden Teilen etwa einen drittel aus, im Inland machen pro Regierungssendungen um die 40% aus, im Ausland um die 50, die Opposition erreicht noch etwa 9 bezw. 1776.

Während Nixon und seine Vertreter v?hrend seiner Nominierung zum Kandidaten selbst zum Wort kommen, werden von Vietnamdenonstranten neben einer Nahaufnahme nur die verwendeten Mittel und Gerichte rap portiert. ... Einerseits lässt man der Regierung Cenicend Zeit um sich zu profilieren, anderseits lësst man die Bundeshausjournalisten fast nur Fragen stellen, die den Standpunkt der Regierung in ein schönes Licht ricken und keine kritischen. Ueber die Opposition wird dagegen sehr häufig im indirekten Stil, mit möglichst grosser Distan zierung gesprochen, selten lässt man sie sich selbst profilieren. Die Regierenden haben Gelegenheit, ihre Handlungen zu begründen, die Aktionen der Opposition werden selten begründet.

Die Unternehmer werden mit ähnlichen Mitteln von den Arbeitern ab gehoben, wie die Regierung von der Opposition. Die Notwendigkeit von Atomkraftwerken wird mit den Worten des Präsidenten der Schw. Elektr. widergegeben, auf die Gefahren wird nicht eingegangen, der Besuch eines Atomkraftwerks wird gescholdert, ein Zwischenfall der erwähnt wird, wird ohne nähere Angaben rapportiert. Sogar mindestens indirekte Werbung kommt vor, wenn auch eine unangenehme Frage an den Schluss gestellt wurde. Probleme werden allgemein von Seite der Regierung oder der grössten Machtkonzentrationen her beleuchtet.

Der Auslandteil nimmt 2 bis 3mal soviel Zedt ein, wie der Inland teil, at ein Drittel des Inlandteils wird von der Wirtschaft und Finanzen besetzt, während über die Arbeitswelt fast nichts berichtet wird. Auch über die wirtschaftliche Verflechtung der Schweiz mit dem Ausland, die enorm ist, erfahrt nan sehr wenig. Westeuropa und N-Ame rika besetzen zwei Drittel des Ausland teils. Wenn das Fernsehen immer wieder über etwas berichtet muss es ja wichtig sein, so kann eine Weltbild geprägt werden. Das Ordnungsprinzip der einzeln Teile der Tagesschau, scheint, ausser der zienlich konsequenten Inland Ausland Gliederung nicht immer att gleichen Ende begonnen), darauf aus zu sein möglichst interssant besseunterhaltend zu sein also keine allzulangen Strecken ohne Filmauflockerung zu bringen, am An fang die wichtigsten Teile, am Schluss etwas mehr Unterhaltendes un fliessend ins Abend programm überzuleiten, oft mit Musik untermalt, um unang nehme Gedanken wieder zu verscheuchen.

DR. BR OR

Innen- und Aussenpolitik wird fast nur von Regierungsvertretern ver :mittelt, zu wirtschafts- und finanzpolitischen Themen fast nur Unter nehnerorganisationen, zum bischen Sozialpolitik von kulturellen und religiösen Organisationen.

Ziemlich viele Meldungen verquicken gewisse Sachverhalte oder drik ken sich leicht ungenau aus und erwecken dadurch einen bestimmt Ein druck. 2.B. werden Industrie und Nation gleichgesetzt, oder Schliissel reize (Schlagwörrter) verwendet, die nicht unbedingt in den Zusammen hang passen. Die Akteure geben vor da s Allgemeininterese zu vertreten, vährend sie in Wirklichkeit nur Teilinteressen in Auge haben. Hin und wieder werden Experten vorgeschoben. Ihre Unabhängigkeit und Autorität wird einsuggeriert, auch wenn sie Partei sind. Die nationale Selbstüberhöhung und patriotische Gefühle werden gepflegt.

Jetzt wird die Vietnaninformation während der Untersuchungswoche genauer angeschaut, um die Feinheiten der Manipulation herauszuar beiten, Vietnam wurde herausgegriffen, weil es als ein Musterbeispiel für unabhängige Information gilt, die die Antikriegshaltung auslösen solle. Die direktheit der Information begünstigt das Gefühl des Teilnehmens, fihrt höchstens zum moralischen Protest in der guten Stube.

Die USA und Südvietnam sind der Herkunftsort von 3 mal mehr Mel dungen als Nordvietnam und Vietcong, im gleichen Verhältnis stehen die Anzah) der Verlaut barungen der Regierungen. In den insgesamt 32 Minuten Berichtserstattung während der Untersuchungswoche über dieses Thema erfuhr an aber überhaupt nichts über die Existenz der prov. Revolutionsregierung Südvietnams, der Vietcong tritt nur 2 mal auf und dann immer zusammen mit Nordvietnam. Inden man emotionel aktive Teile vor emotionel neutrale stellt, gelingt es, dass der Zuschauer auch diese emotionel bewertet. Dazu gelingt es den Eindruck zu erwecken, diese Meldungen Stunden in einem Zusammenhang. Man kann eine Partei rechtfertigen, indem man ihre Aktionen als gerechte Ver geltung entweder direkt, oder indirekt durch die Reihenfolge, gegen Uebergrilfe des Feindes bezeichnet. Wenn man vor allem auf einer Seite auf die Leiden der Zivilbevölkerung hinweist, kann geschickt einseitiges Mitleid erzeugt werden. Oft erhalten auch amerikanische Stellen die Möglichkeit ihre Handlungen zu begründen, dann kann auch auf die Manipulation durch die Reihenfolge oder Wörter wie Gegen offensive verzichtet werden. Durch die unkomentierte Vebernahme von Berichten einer Seite können sich die Sendungen sehr bald widersprechen, so dass sich der Zuschauer bald kein Bild mehr machen kann.

Filme sind nicht 11r alle Themen gleichviel vorhanden, dazu eignen sie sich nicht für alle Themen gleich gut. Oberflächliches, leicht filmbares wird mehr gezeigt, als kompliziertes, hintergründiges. Ein Streit erseleint nur dann in Filn, wenn es Spektakel gibt. Oft ist der Inhalt der Filme nicht sehr hoch, ohne Text Pre nan hoffnungslos verloren, der Film lenkt mehr ab, als er den Text unterstützt. Meistens werden Rand- oder Oberflächenerscheinungen gefilmt, die das Fernsehen wird nichi aur visualisierung der Informa tionen eingesetzt, wie es es 7.B. mit Iriokiilnen oder Grafiken Lönnte. Das Fernshen vermittelt der Eindurck der Wirklichkeit, das Gefühl der aus melesenen und veränderter Realität geht verloren. Viele Zuschuer haben keine Ahnung davon, dass File hergestellt herder, wie' gross der Unterscliied ist, ob ich von unten, von oben, in der Totale oder in Nahaufnahme filme.

Die Berichterstattung über die Ausweis ung der Asiaten aus Uganda

erwähnte die historischen Ursachen gar nicht, wodurch ein Verständ mig des Voranas 15:1:31 Hva d

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zugunsten Englands und zuungunsten Ugandas suggeriert wurden. Ein Ausnahme

fall stellt der Bericht über eine Araberdemonstration in Israel dar. Es werden zwar geschichtliche Fakten gebracht, doch ziemlich unklar, auch werden Fakten verschwiegen und dreimal werden Missetaten des isr. Militäts nicht unter seinem Namen sondern anonym gebracht. Wenn die Hintergründe nicht gezeigt werden, die zu einer Entscheidung oder einer Aktion geführt keben, wird die Geschichte als etwas unbeein-- fluşsbares dargestellt, das einfach läuft, unabhängig vom Men schen. Ohne geschichtlichen Hintergrund kann man auch jede illegale Oppo sition zum Verbrecher Stempeln, weil man nicht sieht, ob die Täter unmenschlich behandelt wurden und ob sie keine anderenmöglichkeiten zur Wahrung des Menschen mehr hatten. Da die Tagesschau keine Ursachen zeigt, gibt sie keine tiefere Einsicht in die Ereignisse und wird darum nicht zur Ursache von Entscheidungen oder Entschlüssen, da eine solche Einflussmöglichkeit gar nicht angedeutet wird, da er nur geschichtlich zu verstehen ist.

Indem die Tagesschau die einzelnen Interessen und Profitnacher nicht nennt, kann sich der Zuschauer kein Bild von der Lage machen und keine an seine Situation angepasste Entscheidung treffen. Sterotype Filme sind sehr häufig, man sieht dabei höchstens dass verhandtelt wird, nicht was, dass geschossen wird, nicht warum. Verhandlungs stereotyp spiegeln Einigkeit vor, auch wo gerade das Gegenteil der Fa 11 ist. Stereotype finden sich in der Tagesschau fast ausschliess lich in politischen Teil, sonst fehlen sie fast volls tändig. Es werden viele Namen genannt, viele Personen vorgestellt und dabei wird der soziale Hintergrund und die Mächte die sie. Tertreten fast nicht erwähnt. Die Herrschenden werden glorifiziert, ihre Fähigkeiten wer. den selten angezweifelt. Der Tagesschausprecher soll ein Mann sein, der väterliche Autorität ausstrahlt, dem man einfach glaubt, weil man ihn für kompetent hält. Er verkörpert für viele die Tagesschau und ihre Qualität, obwohl er auf den Inhalt kaum einen Einfluss hat. Wenn die Hintergründe nicht verstanden werden, wird der Status quo als einzige Existenzmöglichkeit vers tanden. Die Tagesschau gibt den Zuschauer die Illus ion dabei zu sein, den Politikern auf die Fin ger schauen zu können, stellt die Machthaber aber so sympathisch und kompetent dar, dass der Zuschauer gar nicht das Bedürfnis nach Massnah men bekommt, und wenn er es bekommt, glaubt er sich ohnmächtig, da nie geschildert wird, wodurch die Persönlichkeiten, die die Politik " machen" gesteuert und beeinflusst wurden.

Die Sprache soll nöglichst neutral sein, aber Wörter sind mit einem bestimaten emotionellen Hintergrund verbunden, der nicht bei allen Zuschauern derselbe ist. Ein Kind lernt eine Sprache in der seine Familie denkt, seine Sprache ist darun nicht neutral oder Wertfrei.

Die gebildete Sprache ist eine Sprache der Herrschenden und darum zur Erhaltung des Status quo programmiert. Durch den Gebrauch von unverständlichen, wenigsten für den normalen Zuschauer, Wörtern, erreicht man den Eindruck des Fachwissens und der Vertrauenswürdigkeit. Man kann ein Ereignis werten, inden man s&chlich mit emotionel ge

fürbten Ausdrücken spricht.

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Is passiert mir den Zuschauer nur dort etwas, wo etwas gezeigt wird, also nur dort wo ein Korrespondent sitzt. Nachrichten müssen aktuel sein, aber in der 3. Welt sind die Kommunikationssysteme schlecht aus gebaut. Die Eurovision übernimmt von ihrem östlichen Gegenstück der Intervision zehn mal weniger Filmmaterial ala ungekehrt. Da die Intervision mit einer anderen Auswahl arbeitet, muss der Westen sie als nicht objektiv bezeichnen. Die Intervision berichtet auch über wesentlich mehr kulturelles, Wirtschaftliche, technischen und wissen schaftlichen. Positive Meldungen aus dem Osten sind natürlich nicht sehr angenehn, da sie ein Systen bestätigen das verdammt wird. Ea wird über wer-was-wann-wo Fakten berichtet, das warum geht meistens unter, selbst dann wenn es in den Agenturberichten angedeutet wurde.

Die Objektivität richtet sich nach den Normen der herrschenden Klasse, ein Verhältnis von 1:3 zu ihren, Gunsten wird nicht als tenden zis angesehen. Dadurch dass keine Alternativen gezeigt werden, dass nicht die Interessenkonflikte sondern die Verhandlungetische auf dem Bildschirm erscheinen, dadurch dass nichts aus der Arebeits-- welt gesendet wird, verstärkt sich die Konsumhaltung und apolitische Einstellung des Zuschauers. Er erwartet dadurch auch immer wieder die gleiche Art von Information und weil sie dann kommt ist er mit ihr zufrieden und schaut sie als Objektir an, weil er nichts weiss von den Interessen die dahinter stehan.

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